Die bunten Verpackungen locken aus den Supermarktregalen, und wenn dann noch ein verlockender Rabattpreis dazu kommt, landen sie schnell im Einkaufswagen: Bonbons in allen erdenklichen Geschmacksrichtungen. Doch wer genauer hinschaut, stößt auf ein Problem, das viele Verbraucher teuer zu stehen kommt – nicht nur finanziell, sondern vor allem gesundheitlich. Die Nährwerttabellen auf Bonbon-Verpackungen können durchaus verwirrend sein, aber mit dem richtigen Wissen lässt sich das Durcheinander durchschauen.
Das große Verwirrspiel mit den Portionsangaben
Ein häufiges Missverständnis entsteht bei der Angabe von Nährwerten pro Portion. Tatsächlich sind nach europäischer Lebensmittelinformationsverordnung die Nährwerte je 100 Gramm oder 100 Milliliter zwingend vorgeschrieben. Die standardisierte 100-Gramm-Angabe ist EU-weit verpflichtend und macht echte Vergleiche zwischen verschiedenen Produkten möglich. Portionsangaben können zusätzlich aufgeführt werden, ersetzen aber niemals diese Basis-Angabe.
Dennoch kann es verwirrend werden, wenn die Portionsangabe auf der Vorderseite der Verpackung prominent beworben wird: „Nur 15 Kalorien pro Portion!“ klingt harmlos, bis man feststellt, dass eine Portion lediglich ein winziges Bonbon entspricht. Hier hilft der Blick auf die verpflichtende 100-Gramm-Angabe weiter – sie zeigt oft ein ganz anderes Bild.
Versteckte Zuckerfallen in der Zutatenliste
Ein echter Stolperstein lauert in der Zutatenliste selbst. Zucker taucht dort nicht nur als „Zucker“ auf, sondern versteckt sich hinter einer Vielzahl von Bezeichnungen: Glukosesirup und Fruktosesirup, Maltodextrin und Dextrose, Invertzucker und Kandiszucker sowie Saccharose und verschiedene Dicksäfte. Diese Vielfalt führt dazu, dass „Zucker“ in der nach Gewicht sortierten Zutatenliste weiter hinten steht, obwohl die Summe aller süßenden Zutaten einen großen Anteil ausmacht.
Die Nährwerttabelle muss jedoch den Gesamtzuckergehalt ausweisen – und dieser ist oft erschreckend hoch. Ein normales Fruchtgummi kann bis zu 70 Gramm Zucker pro 100 Gramm enthalten. Das entspricht etwa 14 Teelöffeln Zucker – mehr als der empfohlene Tagesbedarf eines Erwachsenen.
Die Täuschung mit „natürlichen“ Varianten
Besonders aufmerksam sollte man bei Bonbons sein, die als „weniger süß“ oder „mit echtem Fruchtsaft“ beworben werden. Diese Produkte erwecken den Eindruck einer gesünderen Alternative, enthalten aber oft ähnlich viele Kalorien wie herkömmliche Süßigkeiten. Der Trick: Statt normalem Zucker kommen hier Fruchtzucker oder Konzentrate zum Einsatz, die zwar natürlicher klingen, aber eine vergleichbare Kaloriendichte aufweisen.
Ein praktisches Beispiel: Fruchtgummi-Bonbons mit „echtem Fruchtsaft“ enthalten manchmal weniger als fünf Prozent Fruchtsaft, aber dennoch hohe Mengen verschiedener Zuckerarten. Die genauen Werte finden sich in der obligatorischen 100-Gramm-Angabe der Nährwerttabelle – und die sind oft ernüchternd.
Internationale Tricks bei der Kennzeichnung
Viele Bonbon-Sortimente stammen aus verschiedenen europäischen Ländern, aber innerhalb der EU gelten einheitliche Mindeststandards für die Nährwertkennzeichnung. Die 100-Gramm-Angabe muss bestimmte Informationen enthalten: Brennwert sowie Mengen an Fett, gesättigten Fettsäuren, Kohlenhydraten, Zucker, Eiweiß und Salz.

Bei Mix-Packungen mit Bonbons verschiedener Sorten kann es zu unterschiedlichen Darstellungsformen kommen – manchmal separate Nährwerttabellen für jede Sorte, manchmal Durchschnittswerte. Manche Hersteller nutzen diese Unübersichtlichkeit bewusst aus, um weniger attraktive Werte zu verschleiern.
Gefährliche Zusatzstoffe richtig erkennen
Neben dem hohen Zuckergehalt sollten Verbraucher auch auf problematische Zusatzstoffe achten. Titandioxid beispielsweise wird oft als Weißmacher verwendet und steht in der Kritik. Der Zutatenbereich Ihres Nährwertetiketts gibt Aufschluss über alle verwendeten Stoffe – auch die weniger bekannten.
Künstliche Farbstoffe wie Tartrazin oder Allurarot können bei empfindlichen Personen Reaktionen auslösen, werden aber oft nur mit ihrer E-Nummer aufgeführt. Hier lohnt sich ein genauer Blick auf die Zutatenliste, besonders bei besonders bunten Bonbons.
Praktische Strategien für bewusste Käufer
Der wichtigste Grundsatz lautet: Immer die 100-Gramm-Angabe als Vergleichsbasis verwenden. Diese ermöglicht echte Vergleiche zwischen verschiedenen Produkten und lässt sich nicht durch geschickte Portionierungen verschleiern.
- Vergleichen Sie den Zuckergehalt pro 100 Gramm zwischen verschiedenen Marken
- Achten Sie auf die ersten drei Zutaten in der Liste – diese machen den Großteil des Produkts aus
- Rechnen Sie die tatsächliche Portionsgröße auf Ihre Verzehrgewohnheiten um
Ein weiterer hilfreicher Ansatz ist die Betrachtung des Verhältnisses zwischen beworbenen Eigenschaften und tatsächlichem Nährstoffprofil. Wenn ein „Vitamin C-angereichertes“ Bonbon 400 Kilokalorien pro 100 Gramm hat, sollte man die Prioritäten hinterfragen.
Die Realität hinter Marketing-Versprechen
Viele Bonbon-Hersteller nutzen geschickte Marketing-Strategien, um ihre Produkte gesünder erscheinen zu lassen. Begriffe wie „natürliche Aromen“, „ohne Konservierungsstoffe“ oder „glutenfrei“ lenken oft von dem ab, was wirklich problematisch ist: dem extremen Zucker- und Kaloriengehalt.
Die Wahrheit ist simpel: Ein Bonbon bleibt ein Bonbon, egal ob es mit Rohrzucker, Agavendicksaft oder Birkenzucker gesüßt wird. Die Kalorienbilanz verändert sich dadurch kaum, und die Auswirkungen auf den Blutzuckerspiegel bleiben ähnlich.
Der bewusste Umgang mit Bonbons erfordert heute ein grundlegendes Verständnis der Nährwertkennzeichnung und die Fähigkeit, Marketing-Tricks zu durchschauen. Die EU-weite Standardisierung der 100-Gramm-Angabe bietet dabei eine verlässliche Basis für Produktvergleiche. Wer diese nutzt und die wichtigsten Kennzeichnungsregeln versteht, kann informierte Kaufentscheidungen treffen und muss nicht auf jede Werbestrategie der Hersteller hereinfallen. Das bedeutet nicht den kompletten Verzicht auf Süßigkeiten, sondern den bewussten Genuss mit vollem Wissen über die Konsequenzen.
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